Kai & Marc Strobel – Interview im Magazin „Drums & Percussion“

Vom 27.-30. Mai fand die erste Edition der internationalen „Boum-Percussion Academy“ im Theaterhaus Stuttgart statt. Teilnehmer im Alter von 15 bis 35 und ihre drei Dozenten Marc Strobel, Kai Strobel und Lorenz Behringer (Nationaltheater Mannheim) widmeten sich 4 Tage ganz der Multipercussion. Marimba, Percussion-Solo, Orchesterschlagzeug und Pauke standen dabei im Mittelpunkt von Masterclasses, individuellem Einzelunterricht und Gesprächsrunden.

1. Wie organisiert man im Coronajahr 2021 ein Festival?

Kai:
 Mit viel Gelassenheit (lacht)! Es bleibt einem nichts anderes übrig, als optimistisch zu planen, die täglichen Veränderungen in Sachen Vorschriften im Auge zu behalten und optimal vorzusorgen. Und am Ende braucht man, was das Infektionsgeschehen angeht, natürlich auch etwas Glück. In Abstimmung mit dem Theaterhaus Stuttgart haben wir ein umfassendes Hygienekonzept eingerichtet, das, dank Tests, Abstand und das Tragen von Masken, ein Gemeinschaftserlebnis ermöglichte.
Marc:
 Eine Verlagerung der Academy in virtuelle Räume, für den Fall dass wir vor Ort kein grünes Licht vom Gesundheitsamt bekommen hätten, kam für uns allerdings nicht ernsthaft in Frage. Aus unserer Sicht lebt eine solche Veranstaltung lebt vom Austausch zwischen Dozenten und Student*innen genauso, wie vom Spirit zwischen den internationalen Teilnehmenden verschiedenster Hintergründe. Hier entstehen Kontakte, Freundschaften - man inspiriert sich gegenseitig. Diese Dynamik konnten wir nur mit einer Academy in Präsenz erreichen und sind froh, dass wir schlussendlich eine vielseitige Gruppe motivierter Schlagzeuger*innen aus 5 verschiedenen Ländern, im Alter zwischen 15 und 35 bei uns willkommen heißen durften.

2. Wie fiel die Wahl als Austragungsort auf Stuttgart?

Kai:
 Stuttgart ist mit seiner gewachsenen Vielfalt der kulturelle Hotspot des Südens. Wir drei sind zudem in Baden-Württemberg aufgewachsen, Marc und ich sogar in der direkten Stuttgarter Umgebung. Marc ist Schlagzeuger an der Staatsoper und das logistische Zentrum für Proben und Organisation von „Boum-Percussion“ haben wir ebenfalls in Stuttgart angesiedelt. Daher sind wir umso glücklicher, mit dem Theaterhaus Stuttgart einen Partner an unserer Seite zu wissen, der den Austausch zwischen Genres, Kulturen und Generationen seit Jahrzehnten in all seinen Facetten lebt.

Marc:
 Im Stuttgarter Theaterhaus konnten wir den Teilnehmenden quasi perfekte Rahmenbedingungen bieten und wir uns auf die musikalische Arbeit mit den Menschen konzentrieren. Die hervorragend ausgestatteten Bühnen des Hauses schufen nicht nur eine professionelle Atmosphäre, sondern auch ausreichend Platz für gemeinsame Trommel-Sessions, der Präsentation und dem Ausprobieren von Instrumenten unserer großartigen Unterstützer ADAMS-Percussion, Thomann-Music und Zultan-Cymbals und parallelem Einzelunterricht von allen Lehrern. Am überzeugendsten war für uns jedoch, dass am Theaterhaus Stuttgart einfach der Spirit stimmt und alle unser Projekt enthusiastisch mittrugen.

3. Wie genau liefen die Academytage ab?

Kai: 
Zum Aufwärmen und Wachwerden begann jeder Morgen mit einer gemeinsamen Warm-Up Runde, geleitet von jeweils einem von uns dreien. Hier wollten wir auch verschiedene Impulse für das tägliche Einspielen geben, unsere unterschiedlichen Gewohnheiten und Herangehensweisen mit den Student*innen teilen und sowohl körperlich wie mental neue Reize setzen. Danach folgte die Masterclass mit täglich wechselndem Schwerpunkt. Marc führte in seine Welt des Orchester-Schlagzeug ein, Lorenz beleuchtete die Pauke mit dem Hintergrund eines Orchestermusikers und Sohn zweier professioneller Barockmusiker und ich sprach von meiner Sicht auf das umfassende Gebiet des Percussion-Solo und Marimba. Die Teilnehmenden hatten bereits hier in den Masterclasses die Möglichkeit, an ihrem Repertoire mit uns zu arbeiten und den Anwesenden weitere Ansätze und Perspektiven für ihr individuelles Vorankommen zu liefern.

Marc:
Noch detaillierter ging es dann in den darauffolgenden Einzelunterricht-Sessions zur Sache, in denen wir noch individueller auf die jeweiligen Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen konnten. Insbesondere nach so einer langen Zeit der musikalischen und gesellschaftlichen Isolation, wollten wir dem Bedürfnis Raum geben, Fragen und Sorgen ansprechen zu können und auch den Musiker*innen untereinander den Austausch von Erfahrungswerten in einer Gesprächsrunde zu ermöglichen.
Mancher Profi wünscht sich heute noch, früher selbst einmal diese Chance gehabt zu haben. Denn für uns gibt es keine „unpassenden“ Fragen, alles hat seine Berechtigung und der Austausch über noch so banal erscheinende Themen kann Hemmschwellen senken, Erwartungsdruck nehmen und Missverständnisse aufklären, oder im besten Fall diese erst gar nicht aufkommen lassen.
Am letzten Tag der Academy wartete zum schönen Abschluss ein Konzert auf die Teilnehmenden, bei dem sich alle gegenseitig motiviert und gefeiert haben. Eine tolle Sache!

4. Beruflich bedingt hat bestimmt jeder von euch Dozenten einen eigenen musikalischen Blickwinkel auf das Schlagwerk.

Kai: 
Jeder von uns hat einen spannenden und individuellen Werdegang hinter sich. Diese Wege bringen Erfahrungen jeglicher Couleur mit sich, die unseren Blick auf das Thema „Schlagzeug“ verschieden geschärft haben. Dabei profitieren wir von der Tatsache, dass Marc und ich ja bereits innerhalb der Familie ein riesiges Know-How zum Thema Schlagzeug vereinen. Der Austausch von Ansichten und Einschätzungen als auch in technischen Fragen wie Material, Interpretation und Literatur sind bei uns selbstverständlich, wenngleich wir uns auch gerne über völlig andere Dinge als Schlagzeug unterhalten (lacht!). Aber dass man dafür nur den eigenen Bruder anzurufen braucht, ist natürlich ein Geschenk.

Marc: Wir teilen dasselbe Mindset, sind gemeinsam offen für Neues und können uns, dank dieser unterschiedlichen Hintergründe, bei Entscheidungen und Bewertungen sehr gut reflektieren. Über unsere Kanäle in den sozialen Medien erhalten wir die vielfältigsten Fragen und Bitten um Hilfestellungen und so wurde es uns ein immer größer werdendes Anliegen, die „Boum-Percussion Academy“ ins Leben zu rufen. Um Grenzen und Dogmen abzubauen, sich gedanklich etwas freier zu machen und um unsere Erfahrungen als Dozenten an interessierte und motivierte Teilnehmer*innen weiterzugeben.

5. Welche Momente sind euch besonders eindrücklich in Erinnerung geblieben?

Kai: 
Eigentlich waren insbesondere jene Momente großartig, in denen sich die Teilnehmenden gegenseitig gepusht haben. Sollte beim Vorspiel im Unterricht mal ein Blackout stattgefunden haben, wurde schon mal aus dem Zuschauerraum laut geklatscht und gerufen „yees, you are great!! You can do it!!“. Wie cool ist das denn?
Insgesamt war der Spirit unter den Schlagzeuger*innen einfach fantastisch. Hier profitierte jeder von jedem und es entstand eine Atmosphäre, die jeder und jedem erlaubte sich auszuprobieren, voranzukommen und sich zu pushen.

Marc: 
Allein die Tatsache dass kein Einzelunterricht stattgefunden hat, in dem nicht mindestens eine weitere Person im Publikum saß und aufmerksam dem Geschehen folgte, hat mich sehr beeindruckt. Der Wunsch nach Wissen war enorm und die Motivation groß. Insbesondere nach dieser langen Zeit der kulturellen Abstinenz und der Unmöglichkeit zum Austausch. Die Teilnehmenden haben alles mit größtem Interesse aufgesogen - zum Teil mit derart vielen Nachfragen, dass die Zeit in den Einzel-Unterrichten kaum ausreichte. Dafür lassen wir aber auch gern mal unsere Kaffee-Pausen sausen. (lacht!)

6. Corona bedingt konnte das geplante Abschlusskonzert vor Publikum nicht stattfinden, trotzdem habt ihr ein internes Konzert organisiert. Was war dabei eure Intention?

Kai: 
Für eine Publikums-Öffnung kam unsere Academy Ende Mai 2021 noch zwei Wochen zu früh, aber es war für uns selbstverständlich, den Musiker*innen trotzdem die Möglichkeit zu geben, endlich wieder zu performen. Wieder auf der Bühne im wortwörtlichen Rampenlicht zu stehen, das Kribbeln beim Musizieren zu spüren, sich zu zeigen und zu konzentrieren weil „es jetzt gilt“. Oder einfach um Spaß zu haben, einen großen Raum zu bespielen und für ein paar Minuten völlig unabhängig von Genre oder Niveau im Mittelpunkt zu stehen.
Marc:
 Ebenfalls im Abschlusskonzert fand sich unser Bestreben wieder, die gern bediente Trennung von Orchester und Solo oder die übermäßige Unterscheidung zwischen Schlagwerk-Disziplinen wie Pauke, Orchester-Schlagzeug und Marimba zu durchbrechen. Denn hier performten Solo-Künstler*innen Seite an Seite mit Probespiel-Aspirant*innen. So erklang nach einem Klassiker wie Joseph Schwander’s „Merlin“ für Solo-Marimba eine kleine Trommel Etüde, gefolgt von Orchesterstellen auf dem Xylophon und einer Pauken-Etüde. Unabhängig von unseren Karrierezielen oder Motivationen arbeiten wir alle intensiv und präsentieren uns in den verschiedenen Ausprägungen des Schlagzeugs. Deswegen stehen bei uns alle miteinander auf derselben Bühne. Zusätzlich war für einige unserer Teilnehmenden das Abschlusskonzert die passende Gelegenheit, das Repertoire für anstehende Orchester-Probespiele vorab einer Öffentlichkeit zu präsentieren.

7. Ist eine Fortsetzung der Akademie geplant?

Kai: 
Absolut! Der neue Termin steht und wird bald angekündigt. Nachdem das Feedback auf die diesjährige Auflage so positiv ausgefallen ist, sind wir bereits in den Planungen für das kommende Jahr und freuen uns auf rege Anmeldungen, wie immer über unsere Homepage: 
www.boum-percussion.com/academy

Marc: 
Wir hoffen natürlich auch auf eine Entspannung hinsichtlich der Reisebestimmungen, um 2022 neben dem begeisterten Schlagzeug-Nachwuchs aus Deutschland wieder zahlreiche internationale Teilehmer*innen im Theaterhaus Stuttgart willkommen zu heißen. Der internationale Austausch ist für alle Anwesenden stets eine große Bereicherung und die besten Freundschaften werden ja häufig genau bei solchen Gemeinschafts-Erlebnissen geknüpft.

 

Die „Boum-Percussion Academy 2021“ in Kooperation mit dem Theaterhaus Stuttgart, wurde freundlich unterstützt von: Adams-Percussion, Thomann-Music, Zultan-Cymbals & SV-Sparkassen-Versicherung.

aus "Drums & Percussion" Heft Nov/Dez 2021